Zu Besuch im „Campus Galli“

Der St. Galler Klosterplan ist einfach epochal! Trotz der Vielzahl an Bauwerken, die zur damaligen Zeit errichtet wurden, gibt es keinen anderen Bauplan aus dem frühen Mittelalter, der mit ihm vergleichbar wäre. Es handelt sich um die älteste Architekturzeichnung Mitteleuropas. Mönche zeichneten den Plan 825 n. Chr. auf der Insel Reichenau im Bodensee. Der Klosterplan, mit seinen zahlreichen Gebäuden und vielen faszinierenden Details, hat eine fesselnde Historie. Er besteht aus fünf nach und nach aneinandergefügten Pergamentblättern. Der Bauplan ist nach dem Ort St. Gallen benannt, für den er ursprünglich geschaffen wurde. Bis heute wird er in der Stiftsbibliothek von St. Gallen aufbewahrt. Wie es im Mittelalter in St. Gallen hätte aussehen sollen möchte das das Großprojekt «Campus Galli – Karolingische Klosterstadt Meßkirch» abbilden. Und es geht vorwärts, seit 2013 – mit den Werkzeugen und Materialien wie damals in Rohrbach bei Meßkirch.


Wir sehen uns in Ruhe auf dem weitläufigen Gelände um. Der Gong der Tabula hatte zum Mittagsmahle gerufen, die Besuchten wie auch Besucher saßen bei Speis und Trank, kaum einer war unterwegs.
Wir sehen eine Korbmacherei, die Töpferei, einen Kräutergarten, Bienenstöcke, eine hölzerne Kirche, die so viel wärmer strahlt als die Steinernen. Das Licht, das durch die geschabten Ziegenhäute fällt ist milchig sanft. Ein Mitarbeiter des Campus Galli erklärt geduldig auf welche Weise die Schindeln in jeder dritten Reihe angebunden werden, dass sie starken Winden standhalten. Sie hat sogar einen Glockenturm mit daselbst gegossener Glocke und Sonnenuhr. Zu besichtigen ist u. a. auch die Werkstatt der Wagner, eine große Scheune, dann die Spinnerei und Wollfärberei – diese haben es mir verständlicherweise angetan, ebenso das kleine Gärtchen mit den Färberpflanzen, die jetzt im Frühling zu sprießen beginnen. So schöne Farben, lieblich zu den Augen, viele Nuancen, die kleinen Holzschildchen klappern lustig im Wind und schaukeln mit den Garnsträngen um die Wette. In der Küppe tanzen Sonnenfunken auf der Lohe. Nebendran in der Weberei liegen Ballen mit fertigem Tuch und Wollknäule. Etwas weiter ist ein Steinmetz vom Mittagsmahl zur Arbeit zurückgekehrt, in der Schmiede stehen sie und fachsimpeln.

Wir gehen weiter zur Töpferei, zur Scheune und dergl. mehr. Etwas später sehen wir bei der Herstellung der Schindeln zu, eine zierliche Frau erklärt wie es zu bewerkstelligen ist und schwingt behände den Holzhammer, seufzend reißt das Holz. In seinen natürlich gewachsenen Riß-Rillen wird später das Wasser ablaufen. Über 600 Schindeln stellen sie pro Woche her, eben so viele Holznägel. Weiter weg grunzen friedlich Schweine, blöcken Schafe, reichlich Platz haben sie, genau wie die Hühner….

Es hat schon seine eigene Atmosphäre, man hört entfernt Verkehrslärm, es ist so schön friedlich, Vögel zwitschern… Wir schauen, erspüren, staunen – fühlen uns nicht modern, nicht überlegen, vielmehr nötigt uns die stoische Beharrlichkeit unserer Vorfahren immer wieder Achtung und Bewunderung ab. Ich möchte nicht wissen wie es da ist bei Schlechtwetter, wenn die Nässe in die Glieder kriecht und alles steif werden lässt, der Dreck an den Schuhen klebt.

Mir ist es heute gemütlich da, ich kann ja gehen, wenn ich nicht mehr mag. Überall weht uns ein Hauch Geschichte an, grinst schelmischer Erfindergeist in Holznagel, Schindel und Flechtzaun. Was mir besonders gefällt, immer wieder auffällt, bei derartigen Besuchen und allen Forschen: ist wie wenig Müll anfällt, wenn man mit dem auskommt was da wächst – mit dem was reine Biomasse ist, alles ist vergänglich. Angesichts dieser Plackerei frage ich mich wieviel Müll und wieviel Sinnvolles von mir bleibt, gewiss viel mehr als ein Paar Knochen und einigen Tonscherben. Wir sind ja so modern. Wir kommen wieder, in ein paar Jahren. Vielleicht ist die Schindelmacherin ja noch da, wir werden sehen….

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